Bezeichnend für die tief religiöse Einstellung unserer Vorfahren ist der bei den kirchlichen Behörden immer wieder vorgetragene Wunsch nach Errichtung einer eigenen Pfarrei in Schoppernau. Dieser entsprang jedoch nicht, wie man heute vielleicht annehmen möchte, engstirniger Eigenbrötelei, sondern dem echten Bedürfnis, die religiösen Pflichten gewissenhafter erfüllen zukönnen. Die früheren Bewohner waren bereit, dafür auch große Opfer auf sich zu nehmen: Errichtung und Erhaltung einer eigenen Kirch ohne wesentliche Hilfe von Außen, Beschaffung des Lebensunterhaltes für einen Pfarrherrn trotz weiterer materieller Verpflichtungen gegenüber der Pfarre Au nach erfolgter Trennung, ohne jedoch etwas aus deren Pfründevermögen zu erhalten. Überdies muss bedacht werden, dass die Dorfbewohner ständig schwere Lasten wegen der Wildbäche auszustehen hatten. In diesem Sinne - nicht als Kirchturmdenken - mögen nachstehende Ausführungen nach authentischen Quellen verstanden werden.
In den Pfarrarchiven von Au und Schoppernau finden sich Urkunden, welche vor Zeiten die Regelung der rechtlichen Verhältnisse zwischen Au und Schoppernau nach bereits vollzogener Separierung zum Gegenstande hatten und zwar in zweifacher Beziehung:
a) zwischen den beiden Pfarren hinsichtlich ihrer Jurisdiktion
b) zwischen den Gemeinden bezüglich Punkt 1 und 2 des Stiftbriefes.
A) Laut Stiftbrief ist der jeweilige Pfarrer in Schoppernau vom jeweiligen Pfarrer in Au in Ausübung der pfarrlichen Jurisdiktion oder Amtsgewalt ganz unabhängig.
Im Jahre 1687 stellten die Pfarrer von Au und Schoppernau das Ersuchen an das bischöfliche Ordinariat in Konstanz, dasselbe möge entscheiden, auf welche Weise sie sich zu vereinbaren haben bezüglich Versehen oder Beerdigen, wenn jemand in den Alpen, Vorsäßen oder Berggütern erkranke oder sterbe. Laut bischöflichem Dekret vom 15. Dezember des genanten Jahres wird bestimmt, dass jeder Pfarrer verpflichtet sei, seine Pfarrangehörigen zu versehen und wenn eines stürbe, so soll es gestattet sein, die Leiche ohne Widerspruch und Entlohnung durch beide Pfarreien zu tragen oder zu führen. Falls beim Transport der Leiche das Läuten der Glocken verlangt wird, soll der Mesner für seine Mühewaltung bezahlt werden.
Zwischen Pfarrer Thum in Schoppernau (1715 - 1760) und Pfarrer Fink in Au (1733 - 1746) gab es einige Reibereien und Streitigkeiten betreff der Pfarrgrenzen und der innerhalb derselben auszuübenden Jurisdiktion. Pfarrer Thum bewies zunächst in längerer und gründlicher Beweisführung, dass die 4 Alpen Schadona, Hornbach, Breitenalp und Diedams pfarrlich zu Schoppernau und nicht nach Au gehören. Dann wird gegenseitig eine Übereinkunft getroffen ("Transactio partium Au et Schoppernau") hinsichtlich folgender drei Punkte:
Zunächst werden zwischen den Pfarrern die Grenzmarken bezeichnet, nämlich
a) der Dürrebach zwischen Gräsalp und Gruben,
b) das Kreuz, so in der Schoppernegg an dem Mühlbach in den Felsen eingehauen ist,
c) der Mittelhag auf der Schoppernegg, welcher von genannter Kreuzmark bis an den Kälberboden ging und deswegen der Mittelhag genannt wurde, weil er die Scheidewand bildete zwischen den Gütern Lebernau und denen der Halden;
d) der Hag, so vom genannten Mittelhag und dem Älpelein (auch "Diedamslein" genannt) hinauf bis in das Diedamserjoch geht; dieser Hag scheidet den Kälberboden, das Älpelein und die Diedams von der Lebernauer Viehweide und Wicka. Diese vier Marken bilden die Grenzscheiden zwischen den beiden Pfarreien Au und Schoppernau. Die weiteren Grenzen von Schoppernau sind: Das Diedamser, Breitenalpen und Hornbacher Joch bis an die Starzl, durch welche Grenze Schoppernau vom Suberschen Gunten und Schwarzen-Wasser geschieden wird. Ferner das Joch oder Landmarken bis an den Widderstein, wodurch Schoppernau von Mittelberg getrennt wird. Die Grenze, welche das Konstanzer Bistum vom Augsburger und Churer Bistum schied, bilden die Landmarken, welche von Eifers Kepfen im Eifers Gunten durch den Kehr bis an den Widderstein und von da durch die Gaischwand in den Schändelsbach und diesen Bach hinauf bis zum Rothorn, Gansschnabel und Zitterklapfen und herab zur ersten Mark, den Dürenbach. Diese Grenzen gelten so ziemlich auch heute noch: nur das Alpenvorsäß Gräsalper, auf der nordwestlichen Seite des Berges Sennau an der Grenzscheide des Dürrenbach gelegen, gehört heute in den Gemeindebezirk Au und wird vom Pfarrer in Au benediziert. Der Flächeninhalt des Pfarr- oder Gemeinde-Bezirkes Schoppernau beträgt nach der Messung vom Jahre 1957 8350 Joch.
Fürs zweite kommen die beiden Pfarrer in der "Transactio" darin überein, dass jedem innerhalb der Grenzen der ihm unter stehenden Pfarrei die pfarrlichen Rechte und Funktionen ohne Beschränkung zukommen sollen: Denn so sei es seit der Separation (1682) praktiziert worden; sei das ganze Gemeinde-Territorium von Schoppernau von der Pfarre Au getrennt worden und endlich gelte die weite Entfernung und Unbequemlichkeit des Weges, was bei der Abrennung als Hauptgrund maßgebend war, um so mehr für die Alpen und Vorsäße.
Das dritte Übereinkommen betrifft das Versehen der Kranken in den Alpen und Vorsäßen und das Beerdige der daselbst verstobenen Personen. Die Kranken sollen von dem Pfarrer versehen werden, der hiezu berufen wird, ohne Unterschied, auf welchem Gemeindegebiet das Kranke sich befindet. Die Leiche eines in den Alpen oder Vorsäßen der anderen Pfarrei Verstorbenen soll in der eigenen Pfarre beerdigt werden und soll die Überführung oder Übertragung dorthin erlaubt sein ohne Widerrede oder Entlohnung des Pfarrers, Mesners oder Kirche, aus deren Pfarrei die Leich hinweggenommen wird; sollte beim Transport der Leiche das Läuten verlangt werden, so wäre dem Mesner dafür ein Brot zu geben nach altem brauch ("more patrio").
B) Laut Stiftbrief hatte die Gemeinde Schoppernau die Concurrenzpflicht zur Unterhaltung der Kirchenwuhren, sowie der Brücken und der Kaufhaus-Wuhren in Jaghausen; ebenso konkurrenzverpflichtet seien, wie sei vor der Separierung nach eigenem Geständnis verpflichtet waren. Von diesem Berichtsspruch meldete der Vertreter der Schoppernauer die Berufung an, die für den Zeitraum eines Monats gewährt wurde; es scheint aber, dass die Appellation ohne Erfolg blieb; denn im Jahre 1765 wiederholten die Schoppernauer ihre alten Klagen; ihr Vertreter machte geltend, dass das Dekret vom Jahre 1724 erschlichen sei, indem es in Au zwei Mühlen gebe, eine in der Nähe der Kirche, die andere weiter entfernt, in jenem Dekret sei aber nicht gesagt, welche Mühle bzw. welches Mühlewuhr - und verlangte, dass eine Kommission die Sachlage an Ort und Stelle in Augenschein nehme. Diesen etwas einfältigen Einwand widerlegte der Vertreter der Auer und verlangte schnelle Entscheidung, da die Wuhre neu gemacht, aber noch nicht vollendet sei, und daher mit Zuwarten leicht Schaden leiden könnten. Es wurden daher die Schoppernauer mittels Dekret vom 30. März auf die frühere Entscheidung verwiesen. Am 8. August desselben Jahres 1765 wurde eine abermalige bischöfliche Entscheidung erlassen unter dem Bischof und Kardinal Presbyter Franziskus Conradus de Rodt (Tig. S. Maria de Populo). Eingangs dieses Schriftstückes wird erwähnt, dass die Schoppernauer wieder ihren "Alten Kohl aufwärmen" ("Cum antiquam crambem recoquent") mit denselben Ausflüchten, wie im Jahre1724, um sich den Verpflichtungen bzgl. des Kirchenwuhres zu entziehen. Auf Grund des Urteilspruches vom 3. August 1724 wird aber erklärt, dass die Schoppernauer verpflichtet seien zur Erhaltung und Reparierung der Wuhre nicht nur bei der Brücke und beim Kaufhaus, sondern auch am ganzen Mühleplatz, wann und soweit es notwendig sei, nach Verhältnis (proportionaliter) beizutragen und die in früheren Jahren etwa unterlassenen Arbeiten (Tagwerke) nachzuholen.
Es scheint, dass seit dieser Zeit (1765) die Schoppernauer sich fügten und den Verpflichtungen ohne weiteres Sträuben nachkamen.
Aus der zweiten Hälfte des 17. Jgd. sind noch 7 Verzeichnisse der Tagwerke vorhanden, die von den Bewohnern der einzelnen Parzellen geleistet wurden, der jeweilige Pfarrer besorgte die Ausschreibung und Kontrolle. Aus diesen Registern geht hervor, dass die drei Wühre viel Arbeit erforderten (sie waren damals aus Holz jetzt aus Stein). Im Jahre 1780 entstand ein Streit und Prozeß zwischen Au und Schoppernau wegen Turm-Reparation bei der Pfarrkirche Au.
Am 1. April 1780 erschienen vor der bischöflichen Behörde in Kostanz die zwei Abgesandten von Au - Jakob Erath und Joh. Jak. Willam und reichten die Klage ein gegen die Pfarre Schoppernau. Eine Reparatur am Kirchturme zu Au sei sehr notwendig, dieselbe erfordere ca. 200 fl., welchen Betrag aber die Kirch nicht zu leisten imstande sei, daher die Bewohner von Schoppernau laut Stiftbrief mithelfen sollten; dieselben weigerten sich aber, indem sie teils die Notwendigkeit einer Reparatur bestreiten, teils sich darauf berufen, dass sie im Jahre 1761, als der Turm gedeckt wurde, auch nicht beigezogen wurden. Dies letztere sei damals unterblieben, bemerkten die Kläger, weil die Kosten durch freiwillige Beiträge gedeckt wurden. Es seien also im vorliegenden Falle die Schoppernauer zur Contribution verpflichtet und mögen dazu verhalten werden.Die Schoppernauer wurden nun von dem geistlichen Gerichte in Kostanz zitiert, erschienen aber auf dreimalige Vorladung nicht, indem sie behaupteten, von der weltlichen Obrigkeit ein Verbot zu haben, in dieser Sache vor dem geistlichen Forum zu erscheinen, erkannten also die Kompetenz des geistlichen Gerichtes nicht an.
Den Bewohnern von Au wurde mittels Dekret vom 16. August 1780 erlaubt, die Turmreparatur in Angriff zu nehmen. Welchen Ausgang der Prozess genommen hat, ist uns nicht bekannt, da weitere diesbezügliche Urkunden im Pfarr-Archiv zu Au fehlen.
Im Jahre 1863 entstanden zwischen den beiden Gemeinden neue Streitigkeiten wegen der Concurrenzpflicht zur Einhaltung und Reparierung der Kirchenbrücke in Au. Die hierauf bezüglichen Akten liegen in Abschrift in der Kirchenlad zu Schoppernau. (Laut Stiftbrief besteht bloß die Pflicht zum Beitrag der Wuhr an der Brücke, wie der Wortlaut klar beweist.) Nach vielem Streiten und Hadern durch fast zwei Jahrhunderte (von 1682 - 1873) wurde endlich in diesem letzteren Jahre durch eine rechtsgültige Ablösung dem Streit ein Ende gemacht. Die Pflichten der Gemeinde Schoppernau gegenüber der Mutterpfarre Au waren, wie wir gesehen haben, folgende:
a) Zu Erstellung und Erhaltung der Kirchen-Brücken und Kaufhauswühre mitconkurrieren, wie vor der Abtrennung.
b) Für den Fall, dass die Pfarrkirche in Jaghausen durch Brand oder ein anderes Unglück einen solchen Schaden litte, dass er durch die Einkünfte der Kirche selbst nicht gut gemacht werden könnte, dass vielmehr die Pfarrangehörigen zu dessen genügender Ausbesserung das Geld durch Umlagen (per symbolas) zusammenlegen müssten, als ihre Quote ungefährt 1/3 hiezu beizutragen.
c) Dem Pfarrer in Au jährlich den Zehent von bestimmten Naturalien zu entrichten (auch jährlich 5 fl. Rekognition).
Hingegen hatte die Gemeinde Schoppernau den Anspruch auf die sogenannte Heiligen-Waldung in Au und auf das Weidrecht am Köpfenberg (Mittagsfluh) mit Schafen im Frühjahr. - Da sich in Bezug der Erfüllung der Konkurrenzpflicht mehrfache Differenzen ergeben hatten, wie wir oben gesehen, so wurde 1870 in den Gemeindevertretungen von Au und Schoppernau der Versuch gemacht, die gegenseitigen Verbindlichkeiten und Leistungen im Ablösungswege aufzuheben. - Die Vereinbarungen der diesbezüglichen Comites auf 300 fl. Ablösungssumme stieß bei der Gemeinde Au auf Widerspruch, dagegen wurde der von der Gemeinde Au in Vorschlag gebrachte Ablösungsbetrag vom Gemeindeausschuss in Schoppernau nicht akzeptiert.
Im Jahre 1872 wurden die Ablösungsverhandlungen beiderseits wieder aufgenommen, fortgeführt und am 8. April des genannten Jahres zum Abschluss gebracht.
a) Die Gemeinde Au übernimmt die alleinige Unterhaltung der drei genannten Wühre und der Pfarrkirche.
b) Verlange die Gemeinde Au keine Rückvergütung von der Gemeinde Schoppernau wegen bereits geschehener Ablösung der Streue-Holzbezugs- und Weiderechte im Heiligenwald und Wäldele.
c) Tritt die Gemeinde Schoppernau die bisher gehabten wie immer gearteten Rechte in Heiligenwald und Wäldele ab.
d) Zahlt die Gemeinde Schoppernau einen Ablösungsbetrag von 475 fl. o.W. an die Gemeinde Au.
e) Die Benützung des Weiderechtes am Köpfenberg im Frühjahr mit Schafen gemeinschaftlich mit Au bleibt nach wie vor aufrecht und wird durch diese Ablösung nicht berührt.
Dieser Vertrag erhielt am 27. Okt. 1873 von Seite des Landesausschusses für Vorarlberg seine Bestätigung. Über den jährlich zu entrichtenden Zehent, der von der Ablösung unberührt blieb, lesen Sie bitte aus dem Teil "Aus dem Wirtschaftsleben und der Entwicklung unseres Dorfes"!